Den Begriff "Züchter" neu überdenken!
In Ihrem Editorial mit dem Titel "Visionen braucht das Land" im "Araber Journal" bedauerte die damalige Chefredaktorin Isabella Neven DuMont den immer noch bestehenden Graben zwischen Reitern und Züchtern. Sie hob hervor, dass 'sich jeder Züchter bewusst werden sollte, dass die von Ihm gezüchteten Pferde auch Werbung für ihre Herkunft machen und dass jener also profitiert von Arbeit, Zeit und Geld, die der Reiter in das Pferd investiert'. In ihrer Vision sah sie eine Brücke über dem Graben in Form eines 'aktiven Engagements der Züchter, ...durch eine gezielte (finanzielle, aktive, ideelle) Förderung des Reitsports'...
Mit ihrem Aufsatz über den Graben zwischen Reitern und Züchtern hat mir Frau Neven DuMont aus dem Herzen gesprochen. Seit bald dreissig Jahren verfolge ich dieses nur scheinbar unerklärliche Phänomen in der Araberszene und habe in dieser Zeit nur ganz wenige Züchter kennengelernt, die sich aktiv um die Förderung Ihrer Pferde unter dem Sattel bemühten. Und das Verständnis für die Bedürfnisse der Reiter konnten sie nur aufbringen, weil sie selbst wussten, wie sich ein gutes Reitpferd anfühlt.
In meinem seit nunmehr zwanzig Jahren professionell betriebenen Ausbildungs-Zentrum werde ich laufend mit dieser "Zwei-Welten"-Problematik konfrontiert. Ständig bieten mir "Züchter" Pferde an, damit ich diese an "Reiter" weitervermittle, rohe Pferde, die sie aber bereits als Distanz-, Dressur-, Spring- oder Westernpferde anpreisen, ohne selbst auch nur in einer dieser Disziplinen jemals einige Erfahrungen gesammelt oder immerhin einmal zugeschaut zu haben.
Das wichtigste Stichwort hat Frau Neven DuMont auch genannt: Ignoranz! Gleichgültig, interesselos, vielleicht nur einfältig, sicher aber kurzsichtig müssen Leute sein, welche Pferde produzieren, ohne sich um die Bedürfnisse der "Endverbraucher" zu kümmern. Wenn ein Anbieter dann noch betont, dass sein Pferd sicher zu schade wäre als Freizeitpferd, darf man getrost den Begriff Dummheit noch hinzufügen.
Um die Gründe dafür auch nur annähernd zu verstehen, meine ich, wird es nötig, den Begriff "Züchter" einmal zu überdenken: Ein Züchter ist per Definition jemand, dem eine Stute zum Zeitpunkt ihrer Bedeckung gehört. Punkt, Ende, nichts weiter. Wir alle machen nun den Fehler, zu meinen, dass ein so genannter "Züchter" etwas von Tierzucht im wissenschaftlichen und empirischen Sinne verstehen sollte, gleichermassen, wie immer noch angenommen wird, dass jemand, der auf einem Pferd sitzt, ein Reiter ist und damit zwangsläufig etwas von Pferden und vom Reiten versteht. Nicht, dass es jene erfahrenen und seriösen Leute nicht mehr gäbe, die sich auch ihrer Verantwortung dem Pferd gegenüber sehr bewusst sind, aber es scheint, dass sie zahlenmässig von den eifrigen "Vermehrern" langsam verdrängt werden.
Hören wir zuerst ein paar aktuelle Stimmen zum Anreiz, eine Stute von einem Hengst decken zu lassen:
- "Fohlen sind halt immer wieder süss"
- "Wir haben doch so viel Platz in unserer Scheune"
- "Meine Frau findet das ein toller Zeitvertreib"
- "Wir haben eh keine Zeit zum Reiten, also soll die Stute doch ein Fohlen haben"
- "Wir können noch nicht reiten, aber wenn wir es einmal gelernt haben, können wir es gleich auf den eigenen Pferden ausprobieren"
Wir assoziieren mit dem Begriff "Zucht" Ausdrücke wie Kompetenz, Weitblick, Planung und vor allem "Zuchtziel"! Erkundigt man sich nach diesem Zuchtziel, entgegnete mir kürzlich ein "Züchter": "Ja, was meinen Sie damit?"
Wäre nun ein solches Zuchtziel vorhanden, und geht man davon aus, dass die zahlenmässigen Überlegungen von Frau Neven DuMont, wie ich auch meine, richtig sind, d.h., dass Zehntausende von Vollblutarabern geritten werden, müsste doch ein Gespräch zwischen Züchtern und Reitern früher oder später stattfinden.
Dass dem nicht so ist, ist so enttäuschend wie einfach. Die heutigen Pferdeproduzenten namentlich in der Araberszene vermehren ihre Tiere nicht, um gewisse Bedürfnisse von reitenden Zeitgenossen zu befriedigen, sondern einfach, weil sie daran Spass haben (siehe oben!). Wenn ihnen dann auffällt, dass kein Platz für weiteren Nachwuchs mehr vorhanden ist, und der dreijährige Hengst zudem lange nicht mehr so süss ist wie damals als Fohlen, beginnen sie, Verkaufsanzeigen aufzusetzen.
Ich denke, dass genau dies die Gründe dafür sind, dass die Idee von Frau Neven DuMont eines Engagements der Züchter in der Sportszene, bzw. sogar eine finanzielle Förderung des Reitsports seitens der Züchter zwar genial aber ebenso illusorisch ist. Blättert der geneigte Leser nämlich etwas weiter in jenem Heft, etwa bis zu den "Kleinanzeigen", wird er noch besser verstehen, was ich meine: Jedermann, der sich mit Pferdezucht schon ein wenig befasst hat, weiss, dass ein Pferd bis zu seinem Alter von 3 Jahren den seriösen Züchter zwischen €/sfr 10'000.- und 15'000.- kostet. Aus was für Gründen wird er dieses nun weit unter seinen Selbstkosten verkaufen wollen? Entweder taugt das Pferd wirklich nichts, oder er muss Platz schaffen für weitere "Spass"-Produkte. Die Kunden, die solche "Schnäppchen" kaufen, sind selten in der Lage, die Qualität eines Pferdes zu beurteilen, sodass der günstige Kaufpreis für sie allein ausschlaggebend ist. Und dass diese Leute später wiederum keine Werbung weder für die Züchter noch für den Reitsport bedeuten, liegt auf der Hand.
Visionen? Erst wenn der Begriff "Züchter" sich zu einem Prädikat entwickelt hat, an dem sich ein potentieller Kunde orientieren kann, besteht die Hoffnung auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit Reitern und Trainern. Von einem Züchter im wahrsten Sinne des Wortes erwarte ich
- eine tiefe Pferdekenntnis verbunden mit
- einer langjährigen Erfahrung sowie
- ein profundes Wissen über die Bedürfnisse der Reiter,
- Erfahrung im Pferdehandling und der Fohlenerziehung,
- Objektivität bei der Auswahl der Elterntiere,
- genügend Zeit, um sich mit seinen Fohlen im ersten Lebenshalbjahr zu beschäftigen.
- Ein Zuchtziel, welches er zusammen mit den Reitern definiert!