Abschied von Gamed     

1978 - 2012

Die wenigsten Pferdeleute haben schon einmal ein 34-jähriges Pferd erlebt, geschweige denn selbst eines besessen, welches sie mehr als 30 Jahre durchs Leben begleitet hat.

Gamed im Alter von 4 JahrenDer Gemüsebauer Otto Ott aus Basadingen, TG ahnte wohl kaum, was aus dem Fohlen einmal werden würde, welches am 28. März 1978 in seinem Stall zur Welt kam, ein Sohn von Tufail aus einer Ibn Galal Tochter. Ich kaufte den Hengst, als er dreijährig war, und dies noch während des Studiums, welches sich dadurch etwas in die Länge zog. Schliesslich musste der Unterhalt mit Nebenjobs laufend verdient werden.

Im Frühling 1982 begann ich Gamed im englischen Reitstil auszubilden, um ihn bereits ein Jahr später in einer ersten Dressurprüfung vorzustellen.

Anfangs 1984 traf ich Jean-Claude Dysli, der in den 70er-Jahren den Westernstil aus Kalifornien nach Europa gebracht hatte. Die feine Reitweise überzeugte mich so sehr, dass ich für die nächsten zehn Jahre zahlreiche Western-Reitkurse bei Dysli besuchte.

Im Sommer 1984 unternahm ich einen Wanderritt vom Kanton Thurgau bis in die jurassischen Freiberge und zurück. Die ungewöhnliche Ausdauer und Leistungsbereitschaft von Gamed ermunterten mich, ihn für Distanzrennen zu trainieren und an einigen erfolgreich teilzunehmen. Diese wurden allerdings in den kommenden Jahren immer schneller und standen einer subtilen und ruhigen Westerndressur kontraproduktiv gegenüber.

1987 wollte ich dann etwas herausfinden: Ausser im Distanzsport hatten die Araber hierzulande zu jener Zeit keinen besonderen Ruf als Leistungspferde und ich wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass ich im Western Reitsport gegen all die Quarter Horses keine Chancen hätte... Nicht aus Ehrgeiz sondern aus reiner Neugier wollte ich klären, ob ein gut trainierter Vollblutaraber die Richter nicht ebenso überzeugen könnte. So meldete ich uns für die ersten Turniere an und es klappte tatsächlich. Noch im selben Jahr wurden wir bereits mit einem Schweizer-Meister-Titel belohnt! Ich höre noch heute die Speaker-Stimme von Anita Haug in der grossen EMPFA-Halle in Bern: "... und im 1. Rang und Schweizer Meister 1987 im Junior Western Horsemanship ist Gamed mit Werner Meier" (damals wurden die Pferde noch vor den Reitern genannt!)

Werner Meier mit Gamed auf der Wikinger-RanchSeine fliegenden Galoppwechsel waren derart beeindruckend und exakt, dass der Hengst von einem kalifornischen Richter anlässlich des Alpine Classic Circuit den Übernamen "Mister Lead Change" erhielt und unter diesem lange Zeit bekannt war. Hauptsächlich in den Disziplinen Western Riding und Superhorse verbuchte er unzählige Erfolge und weitere SM-Titel. An jenem legendären Alpine Classic Switzerland in Bern gewann Gamed 1990 und 1991 alles, was es zu gewinnen gab, wurde beide Jahre All Around Champion und erhielt grosses Lob von den amerikanischen Richtern.

Schon 1988 hatte ich begonnen, den begabten Hengst zusätzlich in der spanischen Doma Vaquera auszubilden, und als Krönung konnte ich in den folgenden Jahren anlässlich zahlreicher Vorführungen in beiden Reitweisen den Mut, die Unerschrockenheit und Vielseitigkeit eines Vollblutarabers unter Beweis stellen.

Nach dem Kauf des Grubhofs im Jahre 1989 half mir Gamed von nun an, fast täglich zu zeigen, was ich unter einem gut ausgebildeten Pferd und einer feinen Reitweise verstehe. Seinen Leistungen und den vielen Präsentationen mit ihm hatte ich meine damals schnell wachsende Popularität sowohl in der Western- als auch in der Araberszene zu verdanken und ohne ihn wäre mein Ausbildungs-Zentrum für Arabische Pferde kaum zu dem geworden, was es heute ist.

Gamed mit 33 JahrenIm Sommer 2011, mit 33 Jahren, zeigte sich Gamed nach wie vor unglaublich fit. Ich ritt ihn noch immer zwei bis drei Mal pro Woche auf dem Reitplatz oder im Gelände und sein Vorwärtsdrang schien grenzenlos.

Alle Lektionen, die ich ihm vor mehr als zwei Jahrzehnten beigebracht hatte, beherrschte er noch immer und zeigte sie auch gerne.

Die Stuten interessierten ihn mit seinen ungerechnet 100 Menschenjahren noch genauso wie damals als junger Hengst.

 

Gegen Ende des Jahres zeigten sich dann aber schnell und unerwartet deutliche Alterserscheinungen. Gamed magerte ab und wirkte allmählich immer müder. Am 10. Dezember 2011 wusste ich noch nicht, dass ich meinen Weggefährten zum letzten Mal sattelte und mit ihm den letzten Ritt unternahm. Am 22. Januar 2012 ging der Lebensweg des grossen Pferdes zu Ende.

Gamed lebt aber weiter in seinen Nachkommen, welche allesamt mein Zuchtziel widerspiegeln: Leicht trainierbare Westernpferde mit angenehmem und wohlwollendem Charakter...

 




" There's a Bridle Hanging On the Wall" - by Don Edwards & Rex Allen

 

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